Die Bankenkrise 2023 ist vorbei … oder auch nicht?

Nach Corona-Krise, Energiekrise, Inflation, noch eine Krise? Wenn es nach den beschwichtigenden Aussagen des US-Präsidenten oder des deutschen Bundeskanzlers geht, ist nach der „kleinen“ Aufregung im internationalen Bankensektor im März mit drei Pleiten von US-Banken und dem beinahe-Zusammenbruch der Schweizer Credit Suisse alles wieder cool. Aber wenn Politiker:innen wiederholen, das Bankensystem sei inzwischen viel besser reguliert, gar nicht vergleichbar mit der Finanzkrise 2007/2008, dann… stimmt das so nicht.

Die führende US-Ratingagentur Moody’s, die die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten bewertet, hat Mitte März den gesamten US-Bankensektor von „stabil“ auf „negativ“ gestellt. Wenn also Leute uns erzählen, das Erdbeben vom März sei nicht beunruhigend, dann sind sie entweder dumm oder dreist.

Von Silicon Valley über Zürich nach Frankfurt

Was Banken machen, ist im Kern simpel. Privatpersonen oder Unternehmen bringen ihr Geld zu den Banken. Die Banken behüten das natürlich nicht fürsorglich, sondern investieren es in andere Unternehmen, kaufen Staatsanleihen oder vergeben Kredite, Hypotheken oder was auch immer. Das bringt am Ende viele Milliarden an Gewinnen. Zu Problemen kann es kommen, wenn – warum auch immer – die Leute oder Unternehmen ihr Geld massiv zurück haben wollen, die Bank aber das Geld – natürlich – nicht sofort zur Verfügung hat, weil es ja woanders angelegt ist. In den letzten paar Monaten passierte in den USA etwas ungewöhnliches: Tech-Konzerne sahen, das ihr super profitables Wirtschaftsmodell nicht mehr ganz so profitabel lief und  griffen zu massiven Entlassungen, z. B. bei google und Amazon, aber auch bei sogenannten Startup-Unternehmen. Und das betraf dann akut die Silicon Valley Bank (SVB), die bei den Startups und Tech-Unternehmen und deren gutbezahlten Angestellten sehr beliebt war. Als sogenannte Regionalbank unterlag sie nicht den etwas strengeren Bankenregularien, dafür hatten die Lobbyist:innen gesorgt. Kurz gesagt: Die SVB hatte einige eher riskante Geschäfte gemacht.

Gleichzeitig hatte die Zentralbank Federal Reserve als Reaktion auf die Inflation die Zinsen erhöht, was den Effekt hat, dass die sehr niedrig verzinsten Staatsanleihen, die Banken besitzen, weniger wert sind. Die Banken dürfen nach US-Recht die Staatsanleihen mit dem Wert, zu dem sie eingekauft wurden, in ihren Bilanzen ausweisen. Aber wenn sie jetzt verkauft werden (müssen), bringen sie viel weniger Geld ein. Das betraf nicht nur die SVB, sondern alle Banken in den USA – und ähnlich hier in Europa, wo die Zentralbanken ebenfalls die Zinsen erhöhen (wenn auch weniger stark als in den USA). Man ahnt schon: Da schlummern in den Bilanzen der Banken große „Unbekannte“, und wir reden von vielen Milliarden!

Die SVB geriet also in eine Zwickmühle: Tech-Angestellte und Unternehmen waren gezwungen, auf ihr Geld zurückzugreifen, es von den Konten abzuziehen und gleichzeitig waren die Staatsanleihen in den Bilanzen weniger wert und die riskanten Investitionen in die Start-up-Branche liefen schlecht. Wie so oft gibt es einen Moment, wo das Kartenhaus zusammen bricht. Vielen wurde klar, wer seine Millionen nicht rechtzeitig abzieht, verliert am Ende alles. Die ganze Situation löste einen „Bankrun“ aus, wo alle zur Bank rennen um ihr Geld abzuheben. Die SVB ging pleite.

Die nächsten Banken, die in ernsthafte Schwierigkeiten gerieten, waren die Signature Bank und die Silvergate Bank, die große Kund:innen in der Branche der Kryptowährungen hatten. Diese Branche ist noch viel spekulativer als die Silicon-Valley-Hightech-Branche. Auch hier zogen Kund:innen Gelder in Milliardenhöhe schlagartig ab und die Banken gingen pleite.

Wie schon 2008 bei der großen Finanzkrise sprang der US-amerikanische Staat den Banken und ihren Geschäftskunden zur Seite, um die Schockwellen klein zu halten. Der Staat gab Garantien für Geschäftspartner:innen und stellt seitdem durch verschiedene Maßnahmen dem Bankensektor viele Milliarden zur Verfügung. Alles Steuergelder, also Gelder, die zum größten Teil von der Arbeiter:innenklasse stammen. Ist damit das Problem eingedämmt? Die Ratingagentur Moody’s denkt nein. Sie werden ihre Gründe haben.

Eine weitere US-Bank, die First Republic Bank, konnte nur mit 30 Milliarden Dollar von elf US-Großbanken vor der nächsten Pleite gerettet werden. Bloomberg meldet, dass die Vergabe von Geschäftskrediten deutlich zurückgeht, Gelder werden weiterhin aus Banken, vor allem den Regionalbanken, abgezogen und kleinere Banken nehmen in milliardenschweren Größenordnungen Notkredite auf. Die Investitionen in Gewerbeimmobilien laufen auch nicht mehr so gut, die Zinserhöhungen der Zentralbank zur Bekämpfung der Inflation könnten zu stärkerem Rückgang der wirtschaftlichen Investitionen führen … Gleichzeitig vermelden die größten US-Banken sehr gute Gewinne. Sie könnten die Gewinner auch dieser Krise sein. Aber Grund für Entwarnung ist das nicht.

Denn die Schockwelle aus den USA traf schon die schweizerische Bank Credit Suisse, die zu den 30 großen  global systemrelevanten Banken gehört. Seit 2 Jahren steckte sie bereits in Schwierigkeiten. Ihre Aktien fielen Mitte März auf einen Schlag um 31 %, als bekannt wurde, dass ihr Hauptaktionär – die saudische Nationalbank – beschlossen hatte, die Bank nicht mehr zu stützen. Unter der Kontrolle der schweizerischen Nationalbank übernahm die ebenfalls sehr große schweizerische Bank UBS die Credit Suisse begleitet von staatlichen Garantien.

Kurz nach dieser Zwangsfusion sackte plötzlich der Kurs der Deutschen Bank zwischenzeitlich um 14 % ab, was die Panik an den Börsen dieser Welt wieder ansteigen ließ. Wahrscheinlich waren Sorgen von Finanzinvestor:innen, auch bei der Deutschen Bank könnte „was im Busche sein“ die Ursache, nachdem Versicherungen gegen den Ausfall von Anleihen der Deutschen Bank plötzlich sehr teuer wurden. Daraufhin trat Bundeskanzler Scholz vor die Kameras, um öffentlich zu versichern, dass es keinen Anlass gebe, sich irgendwelche Gedanken zu machen. Hatte die frühere Bundeskanzlerin Merkel nicht kurz vor der Finanzkrise 2007/2008  so was Ähnliches gesagt? Naja, Schnee von gestern. Wir haben jetzt 2023 und Politiker:innen und Finanzleute hatten ja versprochen, die Banken stärker zu regulieren. Aber die Bankenlobby hat sich mit Händen und Füßen gewehrt. Und nach wie vor gilt: Einige sehr große Banken sind fundamental für das Funktionieren der kapitalistischen Weltwirtschaft, aber ihre sehr riskanten Geschäfte, die sie gut zu verstecken und zu verschleiern wissen, werden allein im Interesse der Profite ihrer Hauptaktionär:innen geführt. Die Folgen, wenn das Kartenhaus zusammenbricht, haben die Bevölkerungen zu tragen.

Kompetenz, die begeistert

Fragt man die Wirtschaftsexpert:innen, kriegt man unterschiedliche Antworten, ob weitere systemrelevante Banken in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnten. Die etwas pessimistischeren Geister werden bemerkt haben, dass der größte schwedische Pensionsfonds Alecta beim jüngsten Banken-Crash in den USA etwa 1,9 Milliarden US-Dollar verloren hat. Es gibt zudem Schätzungen, dass das US-Bankensystem auf der unglaublichen Summe von 2.000 Milliarden Dollar von in den Bilanzen verschleierten Verlusten sitzt.

Die Hilfslosigkeit der sogenannten Wirtschaftsexpert:innen wird deutlich an den „Bauchschmerzen“ der Chefs der Europäischen Zentralbank EZB darüber, welche Bedeutung der „undurchsichtige und illiquide“ Markt für Kreditausfallversicherungen hat. „Wir sollten mehr Transparenz auf diesen Märkten haben. Vielleicht sollte der Finanzstabilitätsrat FSB überprüfen, wie diese Märkte wirklich funktionieren“, grübelte kürzlich der EZB-Chefaufseher in der Öffentlichkeit. Toll, sie wissen scheinbar selbst nicht, womit sie es zu tun haben!

Die täglichen Spekulationen der Banken und Finanzinstitute auf den internationalen Märkten in Höhe von vielen Milliarden Euro und Dollar treiben die Welt an den Abgrund. Ein Grund mehr, dies ganze Wirtschaftssystem loszuwerden. Je schneller, desto besser.

Sabine Müller, Berlin

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